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Was tun, wenn der Fachkräftemangel zum echten Problem wird?

Geschrieben von Christiane Hölper | 12.06.2023 10:18:04

Ja, es gibt ihn, und er lässt sich auch nicht wegdiskutieren – der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig in Deutschland und den meisten europäischen Ländern. Aber ist Abwarten auf Entscheidungen der Politik die richtige Strategie, oder können Sie als Unternehmen auch eigene Schritte tun?

So gravierend ist der Fachkräftemangel

Zahlreiche Studien namhafter Unternehmen belegen es eindeutig: die Fachkräftelücke ist auf ein Rekordniveau angewachsen und wächst weiter – trotz diverser Krisen in den vergangenen Jahren und trotz eher angespannter Wirtschaftslage. Laut DIHK Report1 berichten etwa die Hälfte der Unternehmen von offen bleibenden Stellen, da sie kein (geeignetes) Personal finden können – in der Industrie und der Bauwirtschaft sind es sogar 58 %. Dabei bleiben die Stellen laut KfW ifo-Fachkräftebarometer durchschnittlich etwa fünf Monate vakant2. Für Unternehmen, die die Digitalisierung vorantreiben, ist die Situation sogar noch schwieriger, was an fehlenden Digitalkompetenzen der Arbeitnehmer liegt9.

Beim Kofa (Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung) lässt sich leicht ablesen, dass eine Fachkräftelücke in fast allen Berufen besteht und auch recht gleichmäßig über Deutschland verteilt ist. Regionale Gegebenheiten spielen also nur eine untergeordnete Rolle.3

MINT Bereich besonders betroffen

Der MINT Herbstreport 2022 beziffert die derzeitige MINT-Lücke mit 326.100 Personen, wobei an erster Stelle Energie- und Elektroberufe stehen, an zweiter Stelle Berufe im Maschinenbau und der Fahrzeugtechnik und an dritter Stelle IT-Berufe. Durch die demografische Entwicklung wird der MINT-Ersatzbedarf kontinuierlich ansteigen, gehen doch jetzt die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach in Rente. Und schon jetzt übersteigt die Nachfrage nach MINT-Arbeitskräften das Angebot um 184 %, wobei der MINT Bereich noch dazu mit sinkenden Absolventenzahlen zu kämpfen hat.4

Während das Problem in anderen Branchen wie Tourismus, Gastronomie oder Veranstaltungstechnik vor allem durch die Corona-Krise massiv verstärkt wurde, ist es im MINT Bereich schon länger deutlich und wird sich auch weiter verstärken. Das liegt nicht nur an der demografischen Entwicklung, sondern auch am steigenden Bedarf an FuE-Investitionen, da nur so Krisen und Unsicherheiten getrotzt und Klimaziele und Transformationen erreicht werden können4. Und natürlich werden im FuE-Bereich vorwiegend MINT-Berufe benötigt. 

Aktuelle Herausforderungen

Der Fachkräftemangel stellt für die Unternehmen ein echtes Problem dar. In der Commerzbank Mittelstandsstudie5 sehen 74 % der Unternehmen den Fachkräftemangel als größte Herausforderung in den kommenden Jahren – damit nimmt er in der Liste der Herausforderungen den alleinigen Spitzenplatz ein, noch vor der Energieproblematik und steigenden Rohstoffpreisen. Beachtenswert ist dies, weil gerade während der Ukraine-Krise eben die beiden letzten Punkte eigentlich besonders im Fokus stehen. Auch im MINT Herbstreport4 hat es die Fachkräftesicherung mit 67,8 % auf Platz eins der Herausforderungen geschafft, gefolgt von der Digitalisierung (65,4 %) und der Energiewende (37,3 %).

Gründe für den Fachkräftemangel

Die Gründe für die aktuelle und zukünftige Fachkräftelücke sind simpel: Allen voran ist hier der demografische Wandel zu nennen. Aber natürlich spielt auch die gute Auftragslage vieler Branchen insbesondere der vergangenen Jahre eine entscheidende Rolle.6 Hinzu kommen komplexer werdende Aufgaben und Prozesse, die mehr und besser qualifiziertes Personal erfordern. Zusätzlich weist die KfW Research auf eine fast stagnierende Arbeitsproduktivität in den letzten Jahren hin, die unter anderem durch fehlenden Fortschritt und sinkende Arbeitsstunden pro Kopf entstanden ist7

Folgen des Fachkräftemangels

Doch welche Probleme ergeben sich konkret durch die fehlenden Fachkräfte?
Für die einzelnen Unternehmen ergeben sich die bekannten Schwierigkeiten wie sinkende Umsätze, steigende Personalkosten bis hin zur Existenzgefahr. Volkswirtschaftlich gesehen führt dies dann zu geringerem Wachstum bis hin zu Stagnation und Rezession.

Für Arbeitnehmer bedeutet die Beschäftigung in einer Branche mit Personalmangel laut DAK-Studie8 ein erhöhtes Krankheitsrisiko, da bei verstärktem Stress und Druck weniger Zeit für Erholung, Bewegung und Ausgleich bleibt. So haben in diesen Branchen ein Viertel der Beschäftigten mit Schmerzen und ein Drittel mit Schlafstörungen zu kämpfen, und mehr als die Hälfte fühlt sich komplett erschöpft. Nicht verwunderlich also, dass hier der Krankenstand mit 7 % deutlich über dem Durschnitt (5 %) liegt. Nicht nur für die Beschäftigten, auch für die Unternehmen stellt dies damit ein ernsthaftes Problem dar.

Gleichzeitig werden aber Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz und Digitalisierung gefährdet1, weil die knappen personellen Ressourcen zum Abarbeiten der Alltagsaufgaben dringend gebraucht werden, anstatt ihre Zeit für die (Weiter-)Entwicklung von Produkten und Unternehmen zu nutzen.

Europäischer Vergleich

Nicht nur in Deutschland, sondern in fast ganz Europa ist der Fachkräftemangel in der Industrie spürbar, wobei Deutschland mit über 40 % den Spitzenplatz einnimmt, während in Italien und Spanien kaum ein Mangel vorhanden ist. Der europäische Durchschnitt bewegt sich bei 29 % und steigt seit Jahren (bis auf eine kurze Corona-Delle) stetig an.6

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel

Was tun gegen den Fachkräftemangel? Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder man erhöht das Angebot an Fachkräften oder man senkt den Bedarf oder beides.

Viel diskutiert wird die Erhöhung des Angebots, weil dies als die naheliegende Möglichkeit wahrgenommen wird. Dabei kann dies durch eine Steigerung des inländischen Angebots erfolgen, indem die Erwerbsquote weiter erhöht wird, also mehr Menschen arbeiten, oder durch Zuwanderung aus dem Ausland. Für beide Alternativen müssten die politischen Voraussetzungen angepasst werden. Alleine durch inländische Kräfte wird eine Deckung jedoch nicht gelingen und die KfW7 errechnet eine Netto-Zuwanderung von 1,8 Mio. jährlich, damit der Bedarf der kommenden Jahre gedeckt werden kann. Das klingt nicht sehr realistisch.

Und so kommt ein weiterer Faktor ins Spiel: die Arbeitsproduktivität. Durch eine Steigerung um 1 % p.a. (statt bisher 0,3 %) wäre eine Wohlstandssicherung bei verlängerten Arbeitszeiten möglich, bei 1,5 % bis 2 % sogar ohne verlängerte Arbeitszeiten7.

Wie das gelingt? Nur mit erhöhten Investitionen in die Zukunft – also in Nachhaltigkeit und Digitalisierung, wobei als Effekt dann eine deutliche Steigerung der Prozess- und Kosteneffizienz erwartet wird. Diesen Effekt benennen bei der Commerzbank-Studie5 76 % als wesentlich.

Steigerung der Arbeitsproduktivität

Ihre Aufgabe als Unternehmen ist daher klar - die Stellschraube, an der Sie selbst relativ einfach drehen können, ist - neben Ihrer positiven Unternehmensdarstellung - die Produktivität. So können Sie Freiräume für Ihre Mitarbeiter schaffen und mit der gleichen Zahl an Fachkräften mehr erreichen.

Eine Produktivitätssteigerung kann dabei nur durch einen Mix an Maßnahmen erreicht werden. Wesentlich wird neben einer Verbesserung der Arbeitsmotivation die Verknüpfung der Digitalisierung mit der Automatisierung und Lean-Konzepten sein7.

Eine solche Maßnahme ist die Einführung einer Software-Plattform wie customX, die die Variantenkonstruktion vollkommen automatisiert, Daten wie das Produkt-Know-how digital und zentral zur Verfügung stellt und sichert, Medienbrüche  und damit Doppelarbeit vermeidet, Dokumente automatisch zur Verfügung stellt und damit insgesamt die Unternehmensprozesse wesentlich effizienter gestaltet. Gleichzeitig werden wieder Ressourcen für echte Entwicklungsarbeit frei. Durch die Entlastung von repetitiven, stupiden Arbeiten steigt die Arbeitszufriedenheit und damit auch die Motivation und letztendlich die Produktivität.



Quellen
1Hardege, S. / Zimmermann, A., 2022: DIHK-Report Fachkräfte 2022, Fachkräfteengpässe – weiter steigend, Januar 2023 (zum DIHK Fachkräfte-Report 2022)

2Müller, M., 2022: KfW Research, KfW-ifo-Fachkräftebarometer Dezember 2022; Fachkräftemangel: Die Hälfte der deutschen Wirtschaft steht bereits in der Warteschlange, 27.12.2022 (zum KfW-ifo-Fachkräftebarometer 12/22)

3Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, 2023: Fachkräftesituation nach Berufen und Regionen (zur Kofa-Seite) 

4Anger, C. / Betz, J. / Kohlisch, E. / Plünnecke, A., 2022: MINT-Herbstreport 2022, Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), 23.11.2022 (zum MINT-Herbstreport 2022)

5Krabst, R., 2023: Wirtschaft nach der Zeitenwende: Wie resilient ist der Mittelstand?, Insights aus der neuen Commerzbank Mittelstandsstudie über den Umgang mit multiplen Herausforderungen, Mai 2023 (zur Commerzbank Mittelstandsstudie)

6Peichl, A. /Sauer, S. / Wohlrabe, K., 2022: Fachkräftemangel in Deutschland und Europa – Historie, Status quo und was getan werden muss, ifo Schnelldienst 10/2022, 12.10.2022 (zum Fachartikel)

7Müller, M., 2023: KfW Research, Fokus Volkswirtschaft: Zeitenwende durch Fachkräftemangel: Die Ära des gesicherten Wachstums ist vorbei, 23.01.2023 (zum Fachartikel)

8DAK, 2023: Pressemeldung der DAK: DAK-Gesundheitsreport: Personalmangel macht krank, 19.04.2023 (zum DAK Gesundheitsreport)

9Zimmermann, V., 2023: KfW Research Fokus Volkswirtschaft: Fehlende Digitalkompetenzen erschweren die Besetzung offener Stellen in digital aktiven Unternehmen, 07.03.2023 (zum Fachartikel)